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DFG-Antrag 2003-2006

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Die im Text zitierte Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis

Forschungsprogramm 2003-2006
Der Projektverbund

Insgesamt setzt sich der Projektverbund des Sfbs aus 15 plus 2 assozierten Teilprojekten zusammen. Die für die erste Phase beantragten Projekte lassen sich dabei in vier Gruppen aufteilen, die sich unmittelbar aus unserer Konzeptualisierung ergeben. Die ungefähr gleichgewichtigen Gruppen untersuchen die Rechtsdimension (4 Projekte), Legitimationsdimension (5 Projekte), Interventionsdimension (3 plus 2 assozierte Projekte) und Ressourcendimension (3 Projekte).

Die Projekte verteilen sich der Zahl nach nicht perfekt, aber doch hinreichend gleichmäßig auf die vier Dimensionen der Staatlichkeit. Die leichten Ungleichwichte sind teilweise sachlich bedingt (in der Ressourcendimension scheint sich am wenigsten zu ändern; die Interventionsdimension okkupiert den Staatshaushalt), teilweise auch den gegenwärtigen Schwerpunktsetzungen der beantragenden Institutionen geschuldet. In der mittelfristigen Planung sollen die Ungleichgewichte aufgrund der institutionellen Schwerpunktsetzungen aber ausgeglichen werden.

Das Gros der Teilprojekte bearbeitet einen einheitlichen Untersuchungszeitraum - die 1970er Jahre bis heute - und alle Teilprojekte konzentrieren sich auf die Analyse der wichtigsten OECD-Länder. Dabei finden sich, je nach projektspezifischen Fragestellungen und Selektionskriterien, unterschiedliche Foki, teils auf die großen G-6 Länder, teils auf die europäischen Kleinstaaten, in denen sich die "Endausbaustufe" des DRIS besonders deutlich gezeigt haben soll. Der Untersuchungsgegenstand wird punktuell in den Teilprojekten erweitert, in denen das Verhältnis der OECD-Länder zu anderen Regionen thematisiert wird.

Zentral für die Integration aller Projekte ist jedoch die gemeinsame, durch alle Projekte durchgehaltene Konzentration auf eine einheitlich konzeptualisierte "abhängige Variable". In allen Teilprojekten wird anhand des entwickelten konzeptionellen Rasters zunächst deskriptiv untersucht, ob, inwieweit und in welche Richtung sich Staatlichkeit verlagert. Darüber hinaus haben alle Teilprojekte auch eine kausalanalytische Komponente, die in den meisten Fällen aber erst in der nächsten Phase in den Mittelpunkt rückt.
Manche Teilprojekte fragen dabei primär nach den Ursachen allgemeiner und staatenübergreifender Veränderungen im Kern der OECD-Welt:

  • Falke/Joerges (A1)
  • Genschel (D1)
  • Gessner (A4)
  • Jachtenfuchs (D2)
  • Nanz (B5)
  • Peters (B3)
  • Senghaas/Schneckener (D3)
  • Winter (A3)
  • Zürn (B4)
  • Zürn/Zangl (A2)

Während andere insbesondere den Fortbestand von Varianz zwischen diesen Ländern erklären:

  • Leibfried/Obinger (C1)
  • Lhotta/Nullmeier (B1)
  • Rothgang/Müller/Schmähl (C3)
  • Sackmann/Weymann (C4)

Diese Unterschiede ergeben sich aus der Binnenlogik des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes. Wenn es beispielsweise darum geht, die relative und staatenübergreifende Geringfügigkeit des Wandels bei der Steuererhebung zu erfassen, liegt es nahe, nach den allgemeinen Ursachen (und nicht nach den Varianzen) zu fragen.

Alle Teilprojekte sollen aber schließlich in einem späteren Modul (das häufig mit der letzten Phase einhergeht) wiederum gemeinsam eine evaluative Komponente erhalten, in der es um die Frage geht: Wie werden sich die konstatierten und erklärten Veränderungen auf die Bereitstellung der normativen Güter Sicherheit, Rechtsgleichheit, Selbstbestimmung und soziale Absicherung auswirken? Und durch welche institutionellen Reformen können eventuelle Defizite aufgefangen werden? Wenn auch die Differenzierung in drei Module (Deskription, Ursache und Varianzen, Wirkung) nicht übermäßig rigide harmonisiert werden soll, wird das Gesamtprojekt doch in diese evaluative Komponente (mit praxeologischen Reflektionen) münden.

Bei der Auswahl bzw. Planung der Projekte bestand die wichtigste Aufgabe darin, die entsprechenden Dimensionen und die verschiedenen Veränderungsmöglichkeiten der Staatlichkeit so breit wie möglich bzw. weitgehend repräsentativ abzudecken. Es ist somit angestrebt worden, jede einzelne Dimension mit den vorgesehenen Teilprojekten möglichst breit zu erfassen und nicht nur punktuell zu beleuchten.

In der Rechtsdimension haben wir bewusst darauf verzichtet, Teilprojekte einzubauen, die die Möglichkeit der Subnationalisierung untersuchen. Alle Projekte teilen den Fokus auf die Verlagerung jenseits des Nationalstaates und untersuchen gleichgewichtig Transnationalisierungs- (Gessner - A4, Winter - A3), Internationalisierungs- (Winter - A3) und Supranationalisierungsprozesse (Falke/Joerges - A1, Zürn/Zangl - A2). Systematisch gesprochen werden verschiedene Elemente einer Verlagerung in der Rechtsdimension in den Blick genommen: die Ausweitung der Rechtssubjekte (Gessner - A4, Winter - A3), der Prozess der konstitutionalisierten Rechtssetzung (Winter - A3, Falke/Joerges - A1) und die konstitutionalisierte Rechtsanwendung (Falke/Joerges - A1, Zürn/Zangl - A2). Schließlich geraten auch die unterschiedlichsten Problemfelder in den Blick: Während ein Schwerpunkt auf wirtschaftlichen bzw. marktschaffenden Fragen liegt (alle Projekte), geraten auch sozialregulative bzw. marktkorrigierende Eingriffe in den Blick (Falke/Joerges - A1, Winter - A 3, Zangl/Zürn - A2), wobei in A2 auch Sicherheitsfragen untersucht werden.

In der Legitimationsdimension finden sich zunächst zwei Projekte, die fragen, ob und inwieweit der nationalstaatliche Parlamentarismus als zentraler Fokus demokratischer Legitimation tatsächlich angegriffen und entsubstantialisiert wird und mithin neue Formen der Legitimation notwendig werden. Während in einem Projekt gezielt nach den Effekten von transnationalen sozialen Räumen auf die demokratische Legitimität gefragt wird (Faist - B 2), bleibt im anderen Projekt offen, ob es Privatisierungs- oder Internationalisierungsprozesse sind, die eine Gefahr für die Demokratie darstellen (Lhotta/Nullmeier - B1). Gegenüber diesen kritisch gewendeten Projekten behandeln die anderen drei Projekte die Frage, ob sich die soziokulturellen (Peters - B3) und infrastrukturellen (Zürn - B4) Voraussetzungen für die Ausbildung von demokratischen Prozessen jenseits des Nationalstaates entwickeln und in welcher Form internationale Institutionen ein solches Potential nutzen können (Nanz - B 5). In diesen Projekten erfolgt also eine Wendung der Problematik in konstruktiver Absicht. Gibt es die Hoffnung und die Möglichkeit von demokratischen Prozessen ausserhalb des DRIS?

In der Interventionsdimension sind drei plus zwei assoziierte Projekte angesiedelt. Der Interventionsstaat zeichnet sich durch das Zusammenwirken von drei Typen von politischen Eingriffen aus, die allesamt in den Blick kommen müssen (vgl. Cerny 1995; Streeck 1998). Der Staat schafft zum einen Märkte, indem er Barrieren beseitigt (market-making), er baut zum zweiten Leitplanken, damit die Humanressourcen, die infrastrukturellen Voraussetzungen und gewisse grundlegende Dienstleistungen bereitgestellt werden (market-braking) und er korrigiert drittens die Marktergebnisse durch die Sekundärverteilung des Einkommens sowie durch makroökonomische Politik und mikroökonomische Formen der Risikoabsorption (market-correcting). Der letztgenannte Typus von politischer Intervention, der im Kern "marktkorrigierend" wirkt, macht die Wohlfahrtsstaatlichkeit im engeren Sinn aus.
In den Projekten von Leibfried/Obinger (C1) und Rothgang/Müller/Schmähl (C3) sowie im assoziierten Projekt von Gottschall (C2) werden verschiedene Elemente der Wohlfahrtsstaatlichkeit im engeren Sinne untersucht. Sackmann/Weymann (C4) werden hingegen vor allem market-braking policies analysieren. Das assoziierte Projekt von Zimmermann (C6) untersucht mit Entscheidungen in der Rechnungslegung unter anderem eine marktschaffende Regelung. Insgesamt geht es bei diesen Projekten einerseits darum zu klären, ob sich Prozesse der De-Regulierung und Privatisierung länderübergreifend beobachten und wie sich fortbestehende Länderdifferenzen erklären lassen. Andererseits wird untersucht, welche Rolle internationale Vorgaben bei der Reform staatlicher Interventionen spielen.

Auf die Untersuchung der Ressourcendimension zielen drei Projekte: zwei mit Blick auf Fragen zur Entwicklung des Gewaltmonopols und der Gewaltanwendung (Jachtenfuchs - D2, Senghaas/Schneckener - D3) und eines mit Blick auf die Entwicklung der Steuerpolitik (Genschel - D1). Bei den beiden "Gewaltprojekten" geht es um die Frage, inwieweit das äußere staatliche Gewaltmonopol und die damit verbundene staatliche Souveränität durch internationale und supranationale Entwicklungen überwölbt wird. Während das Projekt von Jachtenfuchs (D2) gleichzeitig das innere Gewaltmonopol mit in den Blick nimmt, betrachten Senghaas/Schneckener (D3) auch die Implosion staatlicher Gewaltmonopole im Sinne der Lokalisierung von Gewaltpotentialen, die außerhalb des Kerns der OECD-Welt liegen, aber als Auslöser von Supranationalisierungsprozessen in der OECD-Welt wirken können. Genschel (D1) analysiert den Druck, der aufgrund des Steuerwettbewerbes auf den Nationalstaaten lastet, und sucht die Frage zu klären, weshalb er im Gegensatz zu anderen Problemfeldern und im Gegensatz zu föderalen Systemen bisher nicht zu einer Harmonisierung der Steuerpolitik geführt hat.

Mit diesem Bündel von insgesamt 15 plus zwei assozierten Projekten meinen wir, die Vielfalt der Komponenten und Dimensionen von Staatlichkeit ausreichend breit abzudecken. Gleichzeitig glauben wir, je nach Untersuchungsgegenstand aus forschungspraktischen Gründen naheliegende und nachvollziehbare Einschränkungen hinsichtlich der betrachteten Veränderungsprozesse vorgenommen zu haben. In der Tat liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen einerseits auf Internationalisierungsprozessen (und nicht Regionalisierungsprozessen) und andererseits auf Privatisierungsprozessen (und nicht Verstaatlichungsprozessen).

Alle Teilprojekte bearbeiten somit "Teile" des Gesamtthemas "Staatlichkeit im Wandel". Es ist in dieser ersten Phase nicht vorgesehen, Teilprojekte zu bearbeiten, die sich die Gesamtauswertung der Befunde zur exklusiven Aufgabe machen. Vielmehr soll die Erarbeitung einer Gesamteinschätzung in einem diskursiven Rahmen durch alle Beteiligten erfolgen.

Der Sfb ist bei einem politikwissenschaftlichen Kern interdisziplinär ausgerichtet. Die vertretenen Disziplinen - Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Soziologie - bilden die vier Säulen einer modern verstandenen und interdisziplinär angelegten "Staatswissenschaft" (vgl. Bleek 2001:71-90). Alle beantragten Einzelprojekte sind allerdings disziplinär ausgerichtet. Die staatswissenschaftliche Interdisziplinarität soll bewusst über die Diskussion im Plenum hergestellt werden. Sie ist nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern entscheidend dafür, aus den Einzelbefunden eine Gesamtsicht zu gewinnen, in der die Veränderung von Staatlichkeit konfigurativ erfaßt werden kann.

 
   
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