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Konzept in Kürze
DFG-Antrag 2011-2014

Hinweis
Die im Text zitierte Literatur finden Sie im Literaturverzeichnis

Forschungsprogramm 2011-2014
Analyserahmen

Die Forschungsarbeit des Sfb wird in der dritten Phase über alle Teilprojekte hinweg durch einen einheitlichen Analyserahmen angeleitet, der auf vier Zentralbegriffen aufbaut:

Konstellation veränderter Staatlichkeit
Die Konstellation veränderter Staatlichkeit ist ein Sammelbegriff für diejenigen Veränderungen von Staatlichkeit, die in den ersten beiden Phasen beschrieben bzw. erklärt worden sind und deren Folgen und Stabilisierbarkeit nun in der dritten Phase untersucht werden sollen. Der Begriff zielt auf die Gesamtkonfiguration zerfaserter Staatlichkeit: Sie besteht aus den traditionellen nationalstaatlichen Strukturen und den an sie angelagerten Strukturen internationaler, transnationaler und privater Herrschaftsausübung. Je nach Politikfeld und Aufgabenbereich ist das Ausmaß an Veränderung durchaus unterschiedlich. Der gemeinsame Nenner dieser Entwicklungen besteht darin, dass die Tendenz der Konzentration von Herrschaftsfunktionen und Kompetenzen beim Nationalstaat abgeschwächt worden ist, die bis in die 1970er Jahre bestimmend war (wie in vielen Schriften aus dem Sfb 597 dargelegt wird; s. zusammenfassend Leibfried & Zürn 2006a; Hurrelmann u.a. 2007; Genschel & Leibfried 2008; Genschel & Zangl 2008). Herrschaft drängt wieder aus dem staatlichen Gehäuse heraus und wird auch von Institutionen jenseits des Staates ausgeübt. Die Rolle des Staates ändert sich: Er entwickelt sich vom Herrschaftsmonopolisten, der seiner Gesellschaft Herrschaft aus einer Hand anbietet – oder aufzwingt – zum Herrschaftsmanager, der die disparaten Herrschaftsakte teils staatlicher, teils nicht-staatlicher Herrschaftsträger koordiniert, reguliert und unterstützt, ohne sie freilich vollkommen steuern und kontrollieren zu können. In diesem Sinne sprechen wir von der Zerfaserung der vormals beim Staat gebündelten Staatlichkeit. Jedes einzelne Projekt schildert dabei die in seinem Untersuchungsbereich vorherrschende, politikfeld- und aufgabenspezifische Entwicklung von Privatisierung, Transnationalisierung und Internationalisierung, also die jeweilige Konstellation zerfaserter Staatlichkeit.

Folgen
Um die Folgen der veränderten Konstellation von Staatlichkeit für die Gesellschaft und das Regieren in der OECD-Welt zu untersuchen, unterscheiden wir in der Analyse zwischen zwei Arten von Folgen: Outcomes und Reaktionen.

  • Unter Outcomes fassen wir die Auswirkungen der neuen Konstellation auf die vier zentralen normativen Güter zusammen. Was hat sich infolge des Staatswandels an den Politikergebnissen verändert? Hat sich etwa das Niveau von Rechtssicherheit verschoben? Bedeuten die Internationalisierung und Privatisierung einen Rückschlag für das Niveau demokratischer Politikgestaltung? Haben sich das Niveau und die Verteilung sozialer Wohlfahrt verändert? Sind die Menschen im Durchschnitt ärmer oder reicher geworden und hat die Ungleichheit zwischen verschiedenen sozialen Gruppen zu- oder abgenommen? Ob ein normatives Gut qualitativ eine neue Ausprägung erhalten hat – ob zum Beispiel Wohlfahrt heute anders verstanden und über andere Indikatoren gemessen wird als es in der Zeit des DRIS geschah –, ist auch Gegenstand der Outcome-Analyse.
  • Unter Reaktionen verstehen wir dagegen die Bewertungen der veränderten Konstellation von Staatlichkeit durch zentrale gesellschaftliche und politische Akteure und die daraus folgenden Forderungen, Zielverschiebungen und Handlungsstrategien. Hier werden die politischen und rechtlichen Handlungen untersucht, mit denen relevante gesellschaftliche Akteure auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit bzw. auf die durch sie veränderten Outcomes antworten. So fragen wir: Wie wird die neue Konstellation eingeschätzt, welche Folgerungen ziehen Akteure angesichts der komplexeren politischinstitutionellen Gesamtarchitektur für die Verfolgung ihrer Interessen? Wie schlägt ein sinkendes oder steigendes Niveau bei der Erfüllung normativer Güter durch auf die Handlungsstrategien von NGOs, Parteien, Verbänden, staatlichen Verwaltungen oder internationalen Organisationen?

Mit der Unterscheidung von Outcomes und Reaktionen verbinden sich in den Teilprojekten in der Regel unterschiedliche Forschungsperspektiven auf die Analyse von Wirkungen. In den Teilprojekten, in denen Outcomes im Vordergrund stehen, wird eher mit Forschungsdesigns gearbeitet, die den Zusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen mit quantitativ-statistischen Verfahren messen oder durch qualitative Vergleichs- und Fallstudientechniken erfassen sollen. Wo Reaktionen untersucht werden, rückt eine handlungstheoretische Perspektive in den Vordergrund. Hier bildet die Konstellation zerfaserter Staatlichkeit den Ausgangspunkt für Handlungsweisen von individuellen, kollektiven bzw. korporativen Akteuren, die auch in Forschungsdesigns und mit Methoden der interpretativen Forschung bearbeitet werden können (Yanow & Schwartz-Shea 2006; Blatter u.a. 2007).

Die neuere methodologische Auseinandersetzung in den Sozialwissenschaften hat gezeigt, dass beide Perspektiven ihre Berechtigung besitzen und je für sich, aber durchaus auch zusammen in einem Projekt angewendet werden können (Gerring 2001, 2007; Tashakkori & Teddlie 2003; Brady & Collier 2004; George & Bennett 2004; Behnke u.a. 2006; Box-Steffensmeier u.a. 2008; Collier & Elman 2008; Byrne & Ragin 2009; Mayntz 2009a; Schnapp u.a. 2009). Der Sfb hat in den zwei abgelaufenen Phasen diese unterschiedlichen Perspektiven zur Geltung gebracht und integriert. Diese plurale Ausrichtung bei gleichzeitiger Integration aller Perspektiven unter einem gemeinsamen analytischen Dach soll auch in der dritten Phase beibehalten werden.

Mit Outcomes bezeichnen wir die Gesamtheit der Auswirkungen der veränderten Konstellation von Staatlichkeit auf die Verwirklichung und Verteilung der vier zentralen normativen Güter bzw. konkreter (Sub-)Güter wie Volksgesundheit, Bildung, Wachstum, physische Sicherheit, Beschäftigung, Umweltqualität. Wir unterscheiden drei Arten von Veränderungen:

  • Niveauveränderungen: Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit bewirkt, dass ein bestimmtes normatives Gut in größerer oder geringerer Menge angeboten wird als zuvor.
  • Verteilungsveränderungen: Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit bewirkt, dass sich die Verteilung der Erfüllung eines Gutes zwischen sozialen Gruppen verändert.
  • Strukturveränderungen: Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit bewirkt, dass sich der Charakter und die Qualität des Gutes verändert.

Die Untersuchung von Outcomes legt ein analytisches Untersuchungsschema nahe, in dem eine bestimmte Veränderung der Konstellation von Staatlichkeit als Ursache für eine bestimmte Veränderung von Politikergebnissen verstanden wird. Als Vermittlungselement wirkt im Regelfall ein bestimmter Policy-Output, also ein Bündel politischer Maßnahmen, die "staatliche" und "nicht-staatliche" Herrschaftsakteure getroffen haben, um bestimmte Politikergebnisse zu erzielen. Um den Outcome als kausale Folge der neuen Konstellation interpretieren zu können, sind letztlich Anforderungen an ein X-zentriertes Forschungsdesign zu erfüllen (Ganghof 2005; Gschwend & Schimmelfennig 2007): Dafür müssen andere mögliche Verursachungsfaktoren im Auge behalten werden, die

  1. entweder nichts mit der veränderten Konstellation von Staatlichkeit zu tun haben, aber dennoch das Outcome beeinflussen ("omitted variable bias") oder
  2. eine gemeinsame Ursache der Veränderung von Staatlichkeit wie der Veränderung der Outcomes darstellen ("spurious correlation") oder
  3. in umgekehrter Richtung wirken, also vom veränderten Outcome zurückwirken auf Staatlichkeit in dem Sinne, dass das beobachtete Outcome die veränderte Konstellation von Staatlichkeit verursacht und nicht umgekehrt (Endogenität) (King u.a. 1994; Gerring 2001; Scharpf 2002; Mahoney & Rueschemeyer 2003; Mahoney & Terrie 2008; Mahoney 2010).

Angesichts der langen Kausalketten, die zwischen der Veränderung von Konstellationen von Staatlichkeit auf der Makro-Ebene und den Veränderungen von Policy-Outcomes auf der Mikro-Ebene vermitteln, ist die Kontrolle dieser anderen Verursachungsfaktoren mit besonderen methodischen Herausforderungen verbunden, die in den Teilprojekten – auf der Grundlage durchaus unterschiedlicher methodologischer Überzeugungen und soweit es die Datenlage in der international vergleichenden Sozialforschung überhaupt zulässt (Pfau-Effinger u.a. 2009) – angenommen werden. Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen politischer Prozesse – so die Grundannahme aller Varianten institutionalistischer Politikanalyse – beeinflussen als intendierte oder auch nicht-intendierte Effekte die Politikergebnisse. Mit der Untersuchung der Outcomes der neuen Konstellation von Staatlichkeit tragen die Teilprojekte zur weiteren Spezifizierung und Überprüfung derartiger Grundüberlegungen bei.

Reaktionen auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit bezeichnen alle Verhaltensmuster und Handlungsstrategien gesellschaftlicher und politisch-institutioneller Akteure, die sich bewusst oder unbewusst, ausdrücklich oder stillschweigend auf den Staatswandel beziehen. Die Untersuchungsfragen lauten:

  • Wie reagieren Bürger und korporative Akteure auf den Staatswandel?
  • Welche politischen Bewertungen, Reformkonzepte und Änderungsstrategien werden von den diversen Akteuren vertreten?
  • Welche Folgen hat die veränderte Konstellation von Staatlichkeit auf die politischen Interaktionsdynamiken der Gesellschaften? Ändern sich die Akteurskonfigurationen und Akteursidentitäten?
  • Ändern sich die Arenen und die Formen der Politikproduktion?
  • Ändern sich Normen, Präferenzen und kognitive Konzepte?

Reaktionen umfassen alle Formen des Sich-Verhaltens zur neuen Konstellation zerfaserter Staatlichkeit und ihren Outcomes, also alle politischen und juristischen Bewertungen, Zielsetzungen, Forderungen und Handlungsstrategien.

  • Wir interessieren uns dabei für Bewertungen insbesondere im Lichte der vier normativen Güter: Wie verändern relevante individuelle und kollektive Akteure ihre politischen Bewertungsmaßstäbe und Relevanzkriterien in Reaktion auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit? Kommt es zu Neu- und Umwertungen normativer Güter? Kommt es zu Neu- und Umwertungen alternativer Arrangements von Staatlichkeit? Steigt oder fällt die Zufriedenheit mit den Outcomes und den relevanten staatlichen, internationalen, privaten oder transnationalen Akteuren?
  • Welche Schlussfolgerungen ziehen die Akteure daraus, welche Ziele und Forderungen entwickeln sie? Wie verändern relevante Akteure ihre politischen Ordnungsideen, Richtigkeitsvorstellungen und Politikentwürfe in Reaktion auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit? Welche Zielvorstellungen treiben ihr Handeln an bzw. werden zur Rationalisierung ihres Handelns genannt? Wollen sie die Internationalisierung, Privatisierung und Transnationalisierung von Staatlichkeit weitertreiben, zurückfahren oder in andere Bahnen lenken? Oder wollen sie den Status quo veränderter Staatlichkeit einfrieren und stabilisieren?
  • Schließlich, welche Handlungsstrategien wählen die politischen Akteure, um ihre Zielsetzungen zu verfolgen? Wie, wenn überhaupt, passen sie ihre Verhaltensmuster und Politikstile an die veränderte Konstellation von Staatlichkeit an? Zur Untersuchung dieses Fragenkomplexes greifen wir auf Albert Hirschmans (1970) bekannte Typologie von "Exit, Voice, and Loyalty" zurück und passen sie unseren Bedürfnissen an. Während die Typologie von Hirschman in kommunalpolitischen Studien schon seit längerem eine Rolle spielt (s. insbesondere Lyons u.a. 1992), hat sie in jüngerer Zeit auch in der Europaforschung (Ansell & DiPalma 2004; Bartolini 2005; Ferrera 2005) und in der juristischen Analyse von Globalisierungsfolgen (Benvenisti 1999) besondere Prominenz erhalten. Alle diese Autoren haben die Kategorien von Hirschman jeweils neu sortiert, erweitert oder neu gedeutet. Wir schließen uns dieser Praxis an. Für unsere Untersuchung unterscheiden wir vier grundsätzliche Handlungsreaktionen:
    • Abwanderung und Zuwanderung (Exit, Entry): Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit provoziert Akteure, ihre bisherigen institutionellen Bindungen aufzugeben und neue einzugehen: Wähler wechseln Parteien oder gründen neue, Parteien suchen neue Koalitionen, Unternehmen treten aus Dachverbänden aus und betreiben das Lobby-Geschäft auf nationaler oder europäischer Ebene direkt auf eigene Rechnung, Regierungen ziehen sich aus internationalen Organisationen zurück oder gründen neue Organisationen, die den alten Konkurrenz machen.
    • Einmischung und Widerspruch (Voice): Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit provoziert Akteure, in den gegebenen institutionellen Bindungen politische Ansprüche geltend zu machen und Probleme zu thematisieren. Alte Parteien nehmen sich der neuen Problemlagen an, politisieren die neuen institutionellen Arrangements. Wähler verändern ihre Relevanzschemata, stellen neue Anforderungen an alte Institutionen. Ziel der Einmischung ist die Transformation der veränderten Konstellation von Staatlichkeit selbst und der von ihr bewirkten Outcomes.

"Loyalty" behandeln wir – abweichend von Hirschmans eigener Begriffsverwendung – als eigene Handlungskategorie und unterscheiden zwei Varianten: aktive Loyalität als bewusste Anpassung und passive Loyalität als Indifferenz (vgl. dazu Rusbult u.a. 1982; Lyons u.a. 1992; Dowding & John 1996). Im Einzelnen:

    • Anpassung (Acquiescence und Adaptation): Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit provoziert die Akteure dazu, sich einseitig anzupassen. Die Akteure begegnen den veränderten institutionellen Bedingungen oder politischen Outcomes mit wohlwollender Passivität, nehmen sie als nicht weiter zu beeinflussende Gegebenheiten hin und passen sich durch geeignete Maßnahmen an: Verwaltungen schaffen neue Verfahren, Unternehmen fügen sich neuen Regulierungsregimes, Wähler reagieren mit stoischer Zustimmung zu den Verhältnissen, wie immer sie aussehen mögen. Ziel ist das reibungslose Funktionieren unter den Bedingungen veränderter Staatlichkeit.
    • Desinteresse (Indifference und Neglect): Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit provoziert keine Reaktionen. Die Akteure nehmen die Veränderungen entweder nicht zur Kenntnis oder sie kümmern sich nicht um sie und machen stattdessen weiter wie bisher. Nationale Wahlkämpfe bleiben nationale Veranstaltungen, obwohl wichtige politische Fragen internationalisiert, privatisiert oder transnationalisiert worden sind. Verwaltungen folgen ihren alten Standardverfahren, auch wenn sie kaum noch in die neue Zeit passen. Die einmal etablierten "Iron Triangles" zwischen Politik, Verwaltung und Industrie wirken weiter wie bisher. Im Gegensatz zu den ersten drei Reaktionsmustern, die reflexiv auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit antworteten, ist das Desinteresse eine Nicht-Reaktion. Das Ziel ist, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen kann, sich von den neuen Verhältnissen nicht irritieren zu lassen.

Die politischen Reaktionen auf die veränderte Konstellation von Staatlichkeit werden in einem handlungstheoretischen Rahmen analysiert. Die veränderte Konstellation von Staatlichkeit oder die dadurch bewirkten Outcomes werden von Akteuren wahrgenommen und interpretiert. Diese Bewertungen bilden dann für die Akteure die Grundlage von politischen Forderungen und Zielsetzungen, die durch Präferenzen und Folgenabschätzungen oder durch Werte und Normen begründet sein können. Diese Zielsetzungen motivieren schließlich beobachtbare Handlungsstrategien – Abwanderung, Widerspruch, Anpassung oder Indifferenz. Die methodische Problematik des handlungstheoretischen Vorgehens liegt in den Schwierigkeiten der Rekonstruktion der Handlungsmotivation (Bewertungen und Zielsetzungen) aus den beobachteten Äußerungen und Handlungsweisen der Akteure. Die Forschung muss nach Sichtung der erreichbaren bzw. verfügbaren Daten über einen Akteur eine möglichst kohärente Deutung all dieser Daten entwickeln, im Sinne einer in sich kohärenten (und durch weitere Informationen auch korrigierbaren) Reaktion auf eine äußere Entwicklung, hier den Staatswandel. Die Anforderungen an die Datensammlung sind daher erheblich, so dass eher Einzelfallstudien denn Untersuchungsdesigns mit hohen Fallzahlen zum Einsatz kommen können.

Wie bei jeder interessanten Unterscheidung gibt es Fälle, bei denen die Zuordnung zu Outcomes oder Reaktionen strittig werden kann. Ein besonderes Problem ist die Zuordnung individueller Einstellungen. Veränderungen in individuellen Einstellungen, Meinungen und Bewertungen können als Outcome klassifiziert werden, wenn sie als das direkte oder indirekte Ergebnis bestimmter Veränderungen in der Konstellation von Staatlichkeit konzipiert und erklärt werden. Sie können aber auch als Reaktionen klassifiziert werden, wenn sie als Motivationsgrund und Auslöser bestimmter Verhaltensänderungen thematisiert werden. Individuelle Bewertungen werden in den Teilprojekten dann als Outcomes untersucht, wenn sie als abhängige Variable dienen. Sie werden allerdings als Reaktionen untersucht, wenn eine Handlungskette zwischen der Wahrnehmung des Staatswandels, dem Handeln der Akteure und den Interaktionen im sozialen und politischen Raum aufgezeigt werden soll.

Bewertungsbasis
Neben der empirischen Folgenabschätzung besteht eine weitere Aufgabe der dritten Phase darin, die Folgen des Staatswandels normativ zu bewerten. Der Stellenwert der Bewertung als Forschungsaufgabe kann in den Teilprojekten dabei je nach disziplinärem Hintergrund unterschiedlich ausfallen. Für alle Formen der Bewertung sind jedoch die vier normativen Güter zentral: Rechtsstaatlichkeit, demokratische Legitimität, Wohlfahrt und Sicherheit. Ihre Rolle ist aber bei der Untersuchung von Outcomes und bei der Untersuchung von Reaktionen systematisch eine andere.

Bei der Untersuchung von Outcomes erfüllen die vier normativen Güter eine Doppelfunktion. Zum einen verweisen sie auf die im Sfb interessierenden vier großen Klassen von Outcomes (Gütern). Diese können über Indikatorenbündel empirisch gemessen werden, so dass sich Veränderungen im Niveau, in der Verteilung oder in der Struktur dieser Outcomes ablesen lassen: normative Güter sind dann die Quelle für empirische Indikatoren. Zum anderen dienen diese Güter als normative Standards zur Beurteilung der empirisch gemessenen Veränderung, wirken also als normative Erwartungen. Über die empirischen Beschreibungen von Politikergebnissen hinaus, die der DRIS in seinem Goldenen Zeitalter typischerweise schuf, verkörpern normative Güter grundlegende politische Werte, die der Staat nach allgemein geteilter Meinung und oft auch nach rechtlicher Maßgabe sicherzustellen hat: Normative Güter dienen als evaluative Bewertungsbasis. Das Konzept der normativen Güter erlaubt es uns somit, Veränderungen im Niveau, der Verteilung und der Struktur von Outcomes zu messen und sie zugleich normativ zu beurteilen.

Das normative Gut Rechtsstaatlichkeit (rule of law) bedeutet im Kern, dass politische Herrschaft bzw. Staatsgewalt rechtlich gebunden ist (Böckenförde 1991; Grimm 2003; Tamanaha 2004). Kein politischer Herrschaftsakt kann und darf sich jenseits der Rechtlichkeit befinden, Politik findet immer im Rechtsraum statt. Rechtssetzung durch Gesetzgebung ist dabei an die rechtlichen Normen der Verfassung gebunden, Administration und Rechtsprechung zusätzlich an die gesetzten Rechtsnormen. Die Freiheitsverbürgung in dieser an Recht gebundenen Herrschaft erfolgt durch die (verfassungsrechtliche) Verankerung von Menschen- und Bürgerrechten und die Möglichkeit der Rechtssubjekte, ihre Rechte über eine unabhängige Gerichtsbarkeit selbstständig wahrzunehmen und zu verfolgen (Rechtsweggarantie). Durch diese umfassende Rechtsbindung politischer Herrschaft wird Rechtssicherheit als zentrale Grundlage eines freiheitlichen Gemeinwesens hergestellt. Der Einzelne ist nicht Objekt des Staates und seiner Herrschaftsgewalt, sondern Träger subjektiver Rechte gegenüber dem Staat.

Aufgrund der engen Bindung an den Staat gibt es im deutschen Sprachraum kaum eine andere Möglichkeit, als das normative Gut der Rechtsbindung von Herrschaft als Rechtsstaatlichkeit zu bezeichnen, auch wenn dies der Absicht zuwiderläuft, einen möglichst abstrakten Begriff für dieses normative Gut zu wählen, der auf alle Formen politisch-institutioneller Ordnung passt. Das normative Gut wurde im Goldenen Zeitalter des DRIS in der Form erbracht, dass die nationalstaatliche politische Herrschaft an das nationale Recht gebunden wurde. Mit der Entstehung supranationaler politischer Systeme, internationalen und transnationalen Rechts stellt sich die Frage, ob und wie Rechtssicherheit und Freiheitlichkeit auch in den neuen Räumen gewährleistet werden können (Calliess 2006; Simmons & Steinberg 2007; Biersteker u.a. 2007; Schuppert u.a. 2010).

Das normative Gut demokratische Legitimität beruht auf der Grundidee politischer Gleichheit und Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger in wechselseitiger Anerkennung als Gleiche und Freie (Dahl 1989, 1994, 1998; Habermas 1992; M. G. Schmidt 2008). Politische Freiheit und Gleichheit werden durch Bürgerrechte verbürgt, die allen die Beteiligung am politischen Willens- und Entscheidungsprozess der politischen Gemeinschaft sichern; faktisch eröffnen Parteien, Interessenverbände und eine medial vermittelte Öffentlichkeit den Bürgern den Zugang zu tatsächlichen Beteiligungs- und Einflusschancen. Zentrales Instrument ist das allgemeine und gleiche Wahlrecht zu repräsentativen gesetzgebenden Körperschaften bzw. zur Wahl der Spitze der Verwaltung (in Präsidialdemokratien) und auch zur direkten Abstimmung über politische Sachfragen (in Direktdemokratien). Alle Träger politischer Herrschaftsgewalt müssen ihre Herrschaftsakte auf die Bürger als Souverän (Stein u.a. 2007; Grimm 2009) und auf die von ihnen ausgehenden Wahl- und Abstimmungsakte zurückführen (Volkssouveränität) und ihnen gegenüber immer neu verantworten. Voraussetzung für die Willens- und Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger ist die Möglichkeit frei in der Öffentlichkeit zu beratschlagen.

Demokratische Legitimität wurde im DRIS auf nationalstaatlicher Ebene institutionell durch die Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit, ein allgemeines Wahlrecht und die Gewährleistung von Legitimationsketten vom Souverän zu den einzelnen Herrschaftsträgern in Administration und Rechtsprechung gesichert. Die Übertragbarkeit einer derartigen Vorstellung von demokratischer Legitimität ist heute zentraler Gegenstand politisch-theoretischer Debatten (Habermas 1998; Buchanan & Keohane 2009; Niesen & Herborth 2007; Macdonald 2008; Ruffert 2009).

Das normative Gut Wohlfahrt beruht im Kern auf der Vorstellung, dass Wohlstand und gerechte Wohlstandsverteilung die wirtschaftliche Grundlage für ein auskömmliches und als befriedigend erfahrenes Leben bilden; die Normen der Menschenwürde und Gerechtigkeit verlangen deshalb im Blick auf alle Bürgerinnen und Bürger, dass diese gegen zentrale Lebensrisiken gesichert werden sowie Armut vermieden und sozialer Ausgleich bewirkt wird (Flora & Heidenheimer 1981; Huber & Stephens 2001; Kaufmann 2005; jetzt Castles u.a. 2010). Eine auf Wohlstandssteigerung durch Wachstum ausgerichtete Wirtschaft zusammen mit einem umfassenden, auf Absicherung von Lebensrisiken und auf Abmilderung von – als ungerecht empfundenen – Ungleichheiten ausgerichteten Steuer- und Sozialsystem erhöhen so die Wohlfahrt der Bürger. Von besonderer Bedeutung ist dabei, wie Wachstum und Verteilung zusammenspielen. Ein allgemeiner Wohlstandsanstieg kann auch mit steigender sozialer Ungleichheit und zunehmender sozialer Ausschließung einhergehen und so die Wohlfahrt senken. Wie die Wohlfahrtsgewinne auf die gesellschaftlichen Gruppen verteilt werden und wie weite Bevölkerungsteile in den Arbeitsprozess einbezogen worden sind ist von zentraler Bedeutung dafür, wie man die Bereitstellung dieses Gutes beurteilt. Die Interpretation von Wohlfahrt mag sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls geändert haben, da ökologische Nachhaltigkeit und Lebensqualität als qualifizierende Merkmale zum Begriffskern hinzugekommen sind. Folglich sind Strukturveränderungen im Wohlfahrtsbegriff zu beachten und in der Folge auch im Begriff der Gerechtigkeit (Bardhan u.a. 2006; Fraser 2009).

In der DRIS-Phase wurde Wohlfahrt in wachsenden Volkswirtschaften durch staatliche Intervention, Konjunktursteuerung und die Expansion nationaler Wohlfahrtsstaatlichkeit erbracht (Obinger u.a. 2005). Wirtschaftspolitische Intervention zugunsten der eigenen Industrien und zur Sicherung von Vollbeschäftigung waren ebenso wie die Programme zur sozialen Sicherung und zur Verringerung von Ungleichheit eng an den Nationalstaat und seine Fähigkeit, sozialen Ausgleich zu bewirken, gebunden. In der veränderten Konstellation von Staatlichkeit erfolgt Wachstumsförderung über die Expansion globaler Märkte, ist aber von deren Krisenhaftigkeit bedroht. Zudem ist unklar, ob soziale Sicherung unter diesen Bedingungen und angesichts einer fehlenden Sozialstaatlichkeit auf europäischer oder globaler Ebene noch auf dem Niveau des DRIS gesichert werden kann (Benvenisti & Nolte 2004; Obinger u.a. 2010).

Das normative Gut Sicherheit wird durch das staatliche Gewaltmonopol bestimmt und bezeichnet die Gefahrenabwehr nach innen und außen. Die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen und ein intaktes Gemeinwesen verlangen neben dieser Gefahrenabwehr qua Polizei und Militär aber heute auch Maßnahmen der Risikovorsorge und Prävention (Buzan 1997; Stoll 2003; Zangl & Zürn 2003; Krahmann 2010) und sie müssen mit dafür ausreichenden Ressourcen gewährleistet werden. Zu diesem Gut gehören die Sicherung der physischen Grundlagen menschlichen Zusammenlebens im Sinne innerer und äußerer Sicherheit, aber auch die Erhaltung des Ressourcen- und Ökosystems.

Sicherheit wurde im DRIS als Leistung des Nationalstaates verstanden. Gewalt und Steuermonopol und die Kontrolle der nationalen Grenzen galten als Kern staatlicher Aufgaben und als unbedingte Voraussetzungen dafür, die nationale Sicherheit und die physische Unversehrtheit der Bürger schützen zu können (z.B. Weber 1980 [1922]; Poggi 1990; Tilly 1990; Grande & Pauly 2005; Zürn & Leibfried 2005). Im Zuge von Internationalisierung und Privatisierung, aber auch einer Vorverlagerung der Abwehr von Gefährdungen, steht der Sicherheitsbegriff heute selbst zur Diskussion, da er auf immer mehr Lebens- und Regelungsbereiche erweitert wird (Daase 2010). Wenn wir Outcomes anhand der vier normativen Güter untersuchen, so können wir feststellen, ob sich die Qualität des gesellschaftlichen Lebens und die Situation der Bürgerinnen und Bürger in der inzwischen veränderten Konstellation von Staatlichkeit gegenüber der DRIS-Phase verändert hat oder ob sie konstant geblieben ist, ob sie sich verbessert oder verschlechtert hat.

Wenn wir die Reaktionen untersuchen, dient die Konzeption normativer Güter dazu, folgende Fragen zu überprüfen:

  • Reagieren die Akteure auf die neue Lage – neben und mit der Verfolgung eigener Interessen – auch damit, dass sie sich Sorgen um die tradierten normativen Güter machen, zielen sie darauf ab, sie zu erhalten, abzubauen oder auszubauen?
  • Oder wenden sie sich anderen Gütern, Werten und Zielsetzungen als maßgeblichen Orientierungspunkten zu?
  • Welche Rolle spielen die normativen Güter bei den Versuchen gesellschaftlicher Akteure, die Entwicklung von Staatlichkeit zu beeinflussen?
  • Sind sie die Leitlinien, an denen sich politisches Handeln orientiert, oder veralten sie als Maßstäbe zur Beurteilung der politischen Entwicklung?
  • Treten neue Interpretationen tradierter normativer Güter auf oder werden sie zugunsten neuer Zielsetzungen, zugunsten neuer, als normativ wertvoll empfundener Güter relativiert, beiseite gestellt oder gar bewusst missachtet?

Stabilisierungstendenzen
Während die Bewertungsgrundlage der vier normativen Güter auch dazu dient zu ermitteln, ob die neue Entwicklung von Staatlichkeit für die Bürger Verbesserungen mit sich bringt, verweist der Begriff der Stabilisierungstendenzen auf die Klärung folgender Fragen: Hat die neue Konstellation zerfaserter Staatlichkeit, wie sie in den letzten dreißig Jahren langsam entstanden ist, eigene innere Stabilisierungskräfte ausgebildet? Gibt es gute Gründe dafür anzunehmen, dass die neue Konstellation ohne grundlegende Veränderungen über einen längeren Zeitraum fortbestehen kann? Die seit 2008 anhaltende Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise seit 2010 und die Folgekrise des Euro seit 2010 haben in dramatischer Weise deutlich gemacht, dass diese Stabilität nicht einfach unterstellt werden kann (James 2009; Posner 2009; Reinhart & Rogoff 2009; Sinn 2009; Krugman & Wells 2010).

Es gab Hinweise darauf, dass die Krise die Zerfaserung von Herrschaftsverantwortung stabilisieren und sie vielleicht sogar weiter vorantreiben könnte. So wurde zur Krisenbewältigung vor allem auf die international koordinierte Verschärfung der Regulierung von Banken gesetzt. Die Verantwortung dafür wurde internationalen Organisationen wie der BIS, der EU oder dem IWF übertragen oder neue Organisationen wie die G-20 wurden für diesen Zweck gegründet. Die regulative Entscheidungskompetenz für den Bankensektor wird also weiter internationalisiert, während die Organisationskompetenz für den bail-out bei Regulierungsversagen auf nationaler Ebene verbleibt (Busch 2009).

Genau dieses Auseinanderfallen von Entscheidungs- und Organisationsverantwortung wurde aber von anderen Akteuren als besondere Schwachstelle des Finanzsystems ausgemacht (De Larosiere 2009). So wurde gefordert, beides entweder durch Renationalisierung der regulativen Entscheidungsverantwortung oder durch konsequente Internationalisierung der Organisationskompetenz - etwa durch Bildung eines EU-Bankenrettungsfonds - wieder zusammenzuführen.

Auch unabhangig von der Finanzkrise gibt es Hinweise darauf, dass wir nicht ohne weiteres unterstellen können, dass die Trends von Internationalisierung, Privatisierung und Transnationalisierung wie in den vergangenen Jahren ungebrochen fortwirken werden. Gerade in der Daseinsvorsorge finden sich - neben Hinweisen auf eine Fortsetzung der Privatisierung etwa durch den Verkauf öffentlichen Wohneigentums - Anzeichen fur eine Rückverstaatlichung, so durch den Rückkauf öffentlicher Versorger durch die Kommunen.

Diese Beispiele weisen auf zwei denkbare Entwicklungsszenarien hin:

  • Stabilität der neuen Konstellation: Die für diese Konstellation typische Zerfaserung von Herrschaftsverantwortung zwischen dem Staat als Herrschaftsmanager und vielfältigen, vom Staat mehr oder weniger unabhängigen internationalen, transnationalen und privaten Herrschaftsträgern bleibt erhalten, auch wenn sich die Aufgabenteilung zwischen diesen Trägern durchaus hier und da verschieben mag.
  • Instabilität der neuen Konstellation: Die Zerfaserung von Herrschaftsverantwortung wird abgeschwächt, indem Herrschaftsverantwortung wieder stärker an einem Ort konzentriert wird, sei es im alten Nationalstaat (Reetatisierung), sei es in neuen Institutionen jenseits des Nationalstaates (Neubündelung jenseits des Staates).

Verwendet man "Stabilität" und "Instabilität" um zwei denkbare Entwicklungsszenarien zu kennzeichnen, ist sogleich die wissenschaftliche Ungeklärtheit und Umstrittenheit dieser Begrifflichkeiten anzuerkennen. Die neuere Forschung zum institutionellen Wandel hat gezeigt (Campbell 2004; Thelen 2004; Streeck & Thelen 2005; Mahoney & Thelen 2010), dass die Vorstellung von Gleichgewichten und einer klaren Trennung von Phasen der Stabilität und des Wandels - zwischen Phasen, die von Pfadabhängigkeit bestimmt werden, und "critical junctures", die politische Neuorientierungen erlauben (P. Pierson 2000a, b) - unangemessen ist, weil sie das Ineinandergreifen von Stabilisierung und Wandel gerade beim langsamen inkrementellen Wandel unterschätzt. Wandel und Stabilität müssen in einem prozessorientierten Forschungsdesign gemeinsam untersucht werden. Daher sprechen wir nur von Stabilisierungstendenzen, wobei wir davon ausgehen, dass sowohl Outcomes als auch Reaktionen für das Entstehen derartiger Tendenzen bedeutsam sind.

Outcomes: Das Goldene Zeitalter des DRIS ist oft als eine "synergetische Konstellation" beschrieben worden, in der die Bereitstellung eines normativen Gutes die Bereitstellung aller anderen erleichtert und fördert (Zürn 1998; Zürn & Leibfried 2005). Dieser sich gegenseitig verstärkende Effekt trug dazu bei, diese besondere Konstellation zu stabilisieren. Kann auch die neue Konstellation zerfaserter Staatlichkeit als eine synergetische Konstellation beschrieben werden? Oder führt sie, im Gegenteil, zu Unverträglichkeiten zwischen den verschiedenen normativen Gütern, die Krisen, Konflikte und Veränderungen auslösen können? Sind es gar solche, die sich gegenseitig aufschaukeln?

Reaktionen: Im Goldenen Zeitalter des DRIS war der Nationalstaat die zentrale Adresse für politische Ansprüche (Voice) und für politische Loyalität (Anpassung). Da so gut wie alle Herrschaft mehr oder weniger direkt vom Staat ausging und alle normativen Güter vom Staat unmittelbar selbst oder doch zumindest durch von ihm eng geführte staatsnahe Einrichtungen hergestellt wurden, erschien dies nachgerade selbstverständlich (Sassen 2006; Genschel & Zangl 2008). Zu fragen ist: Erhöht sich mit der Pluralisierung der an der Herrschaftsausübung beteiligten Akteure bei der Zerfaserung von Staatlichkeit auch die Zahl und die Art der Referenzadressen, an die die Bürger ihre politischen Ansprüche richten und denen ihre Loyalitäten gelten? Folgt der Anlagerung politischer Herrschaftsstrukturen jenseits des Staates eine entsprechende Anlagerung neuer Strukturen gesellschaftlicher Diskurs- und Willensbildungsbildung jenseits des Staates? Teilt der Staat neben seiner Entscheidungs- und Organisationsverantwortung für die normativen Güter auch seine Letztverantwortung mit den nicht-staatlichen Akteuren oder behält er diese, wie von uns in der ersten Phase angenommen, exklusiv für sich? Entstehen Verantwortungslücken, weil jenseits des Staates zwar autonome Entscheidungs- und Organisationskompetenz ausgeübt wird, sie aber demokratischer und rechtsstaatlicher Kontrolle entzogen bleibt?

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