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Differenzierung privater Krankenversicherungstarife nach Geschlecht. Bestandaufnahme, Probleme, Optionen
   

Ausgangspunkt für das Buch ist die EU-Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz in nationales Recht umgesetzt wurde. Diese Richtlinie kann dabei als ein herausragendes Beispiel für eine Intervention der EU auf die nationalen Gesundheitssysteme angesehen werden.
Gemäß dieser Richtlinie sind geschlechterdifferenzierte Prämien in der substitutiven privaten Krankenversicherung in Zukunft nur noch erlaubt, wenn von den Versicherungsunternehmen versicherungsmathematisch nachgewiesen werden kann, dass das Geschlecht ein entscheidender Risikofaktor ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Kosten von Schwangeschaft und Geburt nicht zu höheren Prämien für Frauen führen dürfen, also entsprechend herausgerechnet werden müssen.

Die in diesem Buch vorgelegten Berechnungen haben ergeben, dass Frauen in der Erwerbsphase höhere Kosten verursachen, nicht aber in der Nacherwerbsphase. Werden diese Kostenprofile genutzt, um - wie in der PKV üblich - lebenslang konstante beitrittsalterabhängige Prämien zu errechnen, ergeben sich für die Frauen für alle relevanten Eintrittsalter höhere Prämien.
Allerdings beruhen die höheren Kosten der Frauen zu einem überwiegenden Teil auf den Kosten für Schwangerschaft und Geburt.
Werden diese herausgerechnet, nähern sich die Kopfschadensprofile von Männern und Frauen deutlich an, und der verbleibende Unterschied führt zu annähernd identischen Prämien (bei gleichem Beitrittsalter). Gemäß diesen Berechnungen lassen sich geschlechterdifferenzierte Prämien demnach nicht länger rechtfertigen.
Allerdings musste für die Ermittlung der Kosten von Schwangerschaft und Geburt auf Daten der gesetzlichen Krankenversicherung zurückgegriffen werden, da Daten der PKV nicht in der notwendigen Differenziertheit vorliegen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Ergebnis der Berechnungen verändert, wenn diese Berechnungen in Zukunft mit PKV-Daten erneut vorgenommen werden.

Allein die gesetzliche Vorgabe, Kosten von Schwangerschaft und Geburt nicht länger einseitig den Frauen zuzurechnen, erfordert aber eine Anpassung der PKV-Tarifierung. Dabei könnte festgelegt werden, diese Kosten - als mit allgemeinen Staatsaufgaben verbunden - durch die öffentliche Hand zu übernehmen. Dies müsste systemgerecht aber in GKV und PKV erfolgen.
Alternativ können die Kosten für Schwangerschaft und Geburt anders auf die Versichertengemeinschaft aufgeteilt werden. Eine bloße gesetzliche Vorgabe von Unisex-Tarifen würde dabei aber Risikoselektion und adverse Selektion auslösen. Sicherzustellen ist daher, dass die Versicherungsunternehmen risikobezogene Prämien erhalten, selbst wenn die Versicherten keine risikobezogenen Prämien zahlen. Erforderlich ist daher ein Finanzausgleichsmechanismus.
Dieser könnte etwa so ausgestaltet werden, dass die Gesamtprämie in zwei Teile aufgeteilt wird. Der erste Teil deckt alle Kosten ab, die nicht durch Schwangerschaft und Geburt ausgelöst werden und kann geschlechterdifferenziert oder geschlechtereinheitlich ausgestaltet werden - je nachdem, welches Ergebnis erneute Berechnungen auf Basis von PKV-Daten ergeben. Der zweite Teil der Prämie würde zur Finanzierung aller Kosten von Schwangerschaft und Geburt dienen. Er könnte beispielsweise als identische Kopfprämie für alle Versicherten eingesetzt werden. So wäre den gesetzlichen Vorgaben Genüge getan, ohne dysfunktionale Selektionsprozesse auszulösen.

Rothgang, Heinz
Höppner, Karin
Borchert, Lars
Becker, Roland
Glaeske, Gerd
2007
Baden-Baden: Nomos in: Schriftenreihe Gesundheitsökonomie


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