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Civil Society Participation in International Governance: The UN and the WTO Compared
   
Zivilgesellschaftliche Teilnahme ist in der Debatte um Legitimität und Verantwortlichkeit internationaler Regierungsführung inzwischen ein Schlagwort geworden. Viele Organisationen, darunter insbesondere die Welthandelsorganisation (WTO), sind unter beträchtlichen Druck geraten, ihre politischen Entscheidungsprozesse für zivilgesellschaftliche Akteure zu öffnen. Obwohl die WTO in den letzten Jahren transparenter geworden ist, verweigert sie Interessenvertretern immer noch einen direkten Zugang zu ihren politischen Entscheidungsprozessen. Diese Situation wird häufig der bei den Vereinten Nationen gegenübergestellt, welche (angeblich) mehr an formalisierter und substantieller Teilhabe der Zivilgesellschaft zu bieten haben. In der vorliegenden Arbeit vergleichen wir Teilnahmemuster in diesen zwei Organisationen und versuchen gemeinsame Dynamiken zu identifizieren. Wir stellen, aufbauend auf einem Modell des Politikzyklus, ein allgemeines Analyseraster vor, das uns erlaubt, zwischen ‘Push-’ und ‘Pull-’Faktoren zu unterscheiden, die die Zusammenarbeit in verschiedenen Phasen des Politikprozesses bestimmen.

In unserer empirischen Untersuchung kommen wir zu dem Ergebnis, dass in der WTO wenig Anreize für die Organisation bestehen, zivilgesellschaftliche Akteure in ihre politischen Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Frage, was auf die Tagesordnung gesetzt wird („agenda-setting“) ist Aufgabe der Regierungen; Forschung und Analyse leistet das Sekretariat; die Erfüllung der Verträge und getroffenen Entscheidungen kontrollieren die Organisation und ihre Mitglieder selbst. Um die Tür zu den handelspolitischen Entscheidungsprozessen zu öffnen, kann die Zivilgesellschaft nur auf öffentliche Medienkampagnen („public shaming“) zurückgreifen, d. h. auf die Androhung, die Legitimität der Organisation zu unterminieren, da sie weithin akzeptierte Standards guter Regierungsführung verletzt. Im UN-System findet man in der Tat mehr Kooperation. Allerdings bleibt diese meist begrenzt auf die Politikphasen des „agenda-setting“, der Forschung und Analyse, sowie der Umsetzungskontrolle. Denn ähnlich wie die WTO schützen auch die Vereinten Nationen einen intergouvernementalen Kernbereich ihres politischen Entscheidungsprozesses, in welchen die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Ermessen der Mitgliedsstaaten liegt. Davon zeugen informelle und Ad-hoc-Wege der Zusammenarbeit und der Mangel an Teilhaberechten für nichtstaatliche Akteure im Sicherheitsrat und der Generalversammlung.

Wir schließen daraus, dass eine Untersuchung zivilgesellschaftlicher Beteiligung in internationalen öffentlichen Organisationen durch die Optik des Politikzyklus uns ein detailliertes Bild der Gestaltung der Zusammenarbeit geben kann und es uns ermöglicht, Potentiale für Kooperation wie auch für Exklusion zu identifizieren. Allerdings haben wir auch zwei weitere Faktoren gefunden, für die das Modell des Politikzyklus nicht unbedingt greift. Erstens kann die institutionelle Kultur von Organisationen mehr oder weniger zugänglich für die Zivilgesellschaft sein. Zweitens sind Organisationen empfänglich für Kampagnen für eine gute Regierungsführung, die sich auf Standards der Rechtsstaatlichkeit berufen und die die Tür für nichtsstaatliche Akteure öffnen können.

Nr. 042/2006
Jens Steffek
Claudia Kissling


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