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Weder Staatsdiener noch Dienstleister. Selbstverständnis öffentlich Beschäftigter in Deutschland
   
Im Zuge der Reformen des öffentlichen Dienstes in Deutschland seit den 1990er Jahren werden an die Beschäftigten neue normative Erwartungen gestellt. So sollen neben den durch den traditionellen „Staatsdiener“ charakterisierte Werte wie Neutralität, Regelgeleitetes Handeln oder Loyalität auch auf Effizienz, Flexibilität oder Serviceorientierung zielende „Dienstleister“-Werte berücksichtigt werden. Der vorliegende Beitrag untersucht mittels Fokusgruppendiskussionen von Beschäftigten in drei Bereichen des öffentlichen Dienstes die Bedeutung und Bewertung von „Staatsdiener“- und „Dienstleister“-Werten sowie Wertkonflikte und Wertinterpretationen der Beschäftigten. Zentrales Ergebnis ist eine große Heterogenität von Wertorientierungen, die auf den unterschiedlichen Marktbezug der untersuchten Bereiche des öffentlichen Dienstes zurückgeführt werden können: Bei der Polizei dominieren „Staatsdiener“-Werte wie Regelgeleitetes Handeln und Neutralität, aber selbst in diesem hoheitlichen und marktfernen Bereich sind „Dienstleister“-Werte wie Effizienz und Transparenz im Selbstverständnis der Beschäftigten angekommen. Die Bundesnetzagentur als neue Behörde zur Regulierung der privatisierten Infrastrukturbereiche zeigt, dass die Beschränkung des Staates auf Marktaufsicht bei der Versorgung mit öffentlichen Gütern zu einer Betonung von „Staatsdiener“-Werten führt, während „Dienstleister“-Werten wie „Transparenz/Offenheit“ zwar relevant sind, jedoch eher instrumentell als Legitimation bzw. „Hilfswert“ für die „Staatsdiener“-Werte genutzt werden. Die Müllabfuhr zeigt den erheblichen Einfluss, den Markt und Wettbewerb auf das berufliche Selbstverständnis von öffentlich Beschäftigte nehmen: Die Beschäftigten haben hier auf Grund der im Bereich dominanten Wettbewerbslogik und der damit verbunden Angst um ihre Arbeitsplätze die „Dienstleister“-Werte weitestgehend internalisiert. Die „Staatsdiener“-Werte sind eher unbedeutend und werden als Wettbewerbshindernis wahrgenommen. Insgesamt signalisiert die Bedeutung der „Dienstleister“-Werte in allen drei Bereichen des öffentlichen Dienstes ein neues berufliches Selbstverständnis als „modernisierter, demokratischer Staatsdiener“ bzw. „öffentlicher Dienstleister“.
Nr. 187/2015
Karin Gottschall
Andreas Häberle
Jan-Ocko Heuer
Sylvia Hils


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