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Perspektiven einer kollisionsrechtlichen Verfassung transnationaler Märkte
   

“Konstitutionalisierung” ist zum Schlüsselbegriff der Debatten um die Legitimität des Regierens in der Europäischen Union und im internationalen System geworden. Dieser Essay plädiert für eine Rückbesinnung auf eine in diesen Diskussionen weithin vernachlässigte Disziplin. Es geht ihm dabei aber keineswegs um dominierende Konzeptionen des kontinentaleuropäischen Internationalen Privatrechts oder des anglo-amerikanischen Kollisionsrechts. Das Kollisionsrecht neuen Typs, für das er eintritt, befasst sich nämlich nicht mit der Entscheidung zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen, zu denen eine Fallkonstellation Verbindungen aufweist. Es geht in diesem neuen „Kollisionenrecht“ vielmehr um den Umgang mit externen Effekten, den binnenstaatlich legitimierten Gesetzen und Entscheidungen in anderen Rechtssystemen, deren betroffene Bürger sich nicht, wie es insbesondere in deliberativen Demokratietheorien gefordert wird, als deren Autoren verstehen können. Es ist der Beruf des Europarechts, das hierfür eine Vielfalt von Möglichkeiten bietet, diese Demokratiedefizite der Mitgliedstaaten der EU zu kompensieren und auf dieses Potential dessen konstitutionelle Dignität (seine supranationalen Geltungsansprüche) zu gründen. Ein solches Kollisionsrechts neuen Typs lässt sich, wenngleich mit weniger weitreichenden Ansprüchen auch für das internationale System entwickeln. Diese Perspektiven werden an Beispielen aus dem WTO-Recht entwickelt.

Der kollisionsrechtliche Ansatz wird in drei Dimensionen weiter ausdifferenziert. Mit dieser Binnendifferenzierung reagiert der Ansatz auf Transformationen des Rechts, die sich auf allen Ebenen des Regierens vollzogen haben, zunächst in der Entfaltung regulativer Politiken, sodann in der Wende zum Regieren. In seiner “zweiten Dimension” geht es dem kollisionsrechtlichen Ansatz um eine Konstitutionalisierung transnationaler Kooperationsformen, in denen administrative Akteure dominieren, in seiner “dritten Dimension“ um die Anerkennung bzw. Supervision von kooperativen Arrangements nicht-gouvernementaler Akteure und deren para-legaler Regime.

Nr. 146/2011
Christian Joerges


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