Die Forschung zum Wandel der Parteiensysteme betont oft gleichförmige, langfristige Gesellschaftstrends als Ursache; sie vernachlässigt dabei, dass der Wohlfahrtsstaat diese sozialen Prozesse stark beeinflusst. Die vergleichende Sozialpolitikforschung ihrerseits konzentriert sich darauf, welche Rolle die Parteien in der Entwicklung von Sozialstaaten spielen, also auf ihre Bedeutung als unabhängige Variable. Wie Sozialstaatsreformen auf den Parteienwettbewerb zurückwirken und ihn verändern, kommt bislang weder in der einen noch in der anderen Perspektive systematisch in den Blick.
Wir werden analysieren, wie der Sozialstaatsumbau sich auf die Parteipräferenzen in der Wählerschaft und auf die gesellschaftliche Sozialstruktur auswirkt und wie er dadurch mittelbar das Parteiensystem beeinflusst. Der Parteienwettbewerb steht im Zentrum demokratischer Politik und ist der zentrale Mechanismus der Herstellung von Legitimität. Wir fragen: Wie funktioniert er unter den Bedingungen transformierter Staatlichkeit? Parteiensysteme sind ohnehin im Wandel, weil die Konfliktlinien, die sie bislang geprägt haben, in ihrer Bedeutung nachlassen. Die Folgen dieser Erosion traditioneller Konfliktlinien werden jedoch sozialstaatlich aufgefangen und vermittelt. Wir konzentrieren uns auf die zwei historisch wichtigsten Konflikte in Westeuropa: auf den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital und auf den zwischen Kirche und Staat. Was den Arbeit-Kapital-Konflikt anbetrifft, so bilden sich im Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft neue Wählergruppen mit neuartigen Interessen in der Arbeitsmarktpolitik und in der öffentlichen Beschäftigung. Mit dem Intensitätsverlust des Konflikts Kirche-Staat sortieren sich ebenfalls Wählergruppen neu, insbesondere die neuen sozialpolitischen Interessen von Frauen werden dabei relevant.
Wir untersuchen westeuropäische Staaten, die typisch für besondere Verbindungen von Wohlfahrtsregime und Parteiensystem sind, insbesondere Schweden, Großbritannien, Deutschland und Italien. In statistischen Analysen gehen wir zunächst dem Wahlverhalten von zwei für uns zentralen Wählergruppen nach, den neuen Dienstleistungsberufen und den Frauen. Diese Befunde werden dann in detaillierte Analysen der sozialpolitischen Reformverläufe und der programmatischen Neuausrichtung der Parteien eingebettet. Abschliessend fragen wir: Zeichnet sich zwischen transformiertem Sozialstaat und parteipolitischer Repräsentation gewandelter gesellschaftlicher Interessen ein neues stabiles Entsprechungsverhältnis ab, das mit jener Konstellation vergleichbar ist, die die ersten vier Nachkriegsjahrzehnte europäischer Sozialstaatlichkeit gekennzeichnet hat?
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Abschlussbericht 2015 
Projektantrag 2011-2014
Verlauf der Forschungsphasen 2011-2014
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